Übersetzungskonflikte
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Übersetzung und Mediation

Strafrechts-Mediation: Das Übersetzungsparadox eines außergerichtlichen Verfahrens

In den letzten Jahrzehnten lässt sich eine Ausdifferenzierung des Strafrechts und eine damit einhergehende Tendenz zur Informalisierung und Auslagerung von Verfahren feststellen. Dieser Trend zur Informalisierung fällt zusammen mit der „restorative justice“, einer internationalen Reformbewegung, die für wiedergutmachende Formen der strafrechtlichen Sozialkontrolle eintritt. Mediationsverfahren, die im Rahmen des Strafrechts angesiedelt sind, sind eine Ausprägung dieser Tendenz zu informeller und restitutiver Justiz.

Mit der Institutionalisierung des neuen Verfahrens der Mediation stellt sich ein zentrales Problem: die Bearbeitung eines aus der Justiz ausgekoppelten, aber dennoch von ihr abhängigen Verfahrens. Dabei erfolgt die Verfahrenslogik von Mediation nach anderen professionellen Gesichtspunkten als ein traditionelles Strafverfahren. Dazu gehört u.a. die Informalität, also das Fehlen starrer Prozessregeln, die es dem Mediator erlauben, nach sozialpädagogischen Gesichtspunkten auf die Medianten einzugehen. Für die Strafrechts-Mediation bedeutet das, dass einander widersprechende Verfahrensweisen vereinbart werden müssen: Die Informalität der Mediation muss anschlussfähig gemacht werden an die Formalität eines Strafverfahrens.

So stellt sich die Frage, wieviel Formalität und Machtkontrolle, wieviel „Schatten des Leviathan“ sein muss, um rechtsstaatliche Verfahrensgarantien gewährleisten zu können, und wieviel die Mediation verträgt, ohne ihren spezifischen Charakter zu verlieren. Wie kann ein informelles, nach sozialpädagogischen Gesichtspunkten operierendes Verfahren unter den Bedingungen eines förmlichen Strafverfahrens durchgeführt werden? Das Teilprojekt beabsichtigt hierbei, insbesondere rechtssoziologische und kultursoziologische Beobachtungen über die Möglichkeiten und Probleme der Integration des Verfahrens in vorhandene Institutionenordnung(en) zu diskutieren und vor dem Hintergrund möglicher Übersetzungskonflikte kritisch zu befragen.

Dr. Stefan May & Dr. Julian Müller