Übersetzungskonflikte
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Zielsetzungen

Das DFG-Forschungsprojekt "Übersetzungskonflikte" geht von zwei Grundannahmen aus. Zum einen baut es auf die gesellschaftstheoretische Diagnose einer funktional differenzierten modernen Gesellschaft. Anders als die meisten Rekurse auf das Theorem funktionaler Differenzierung liegt unser Fokus auf den unvermeidlichen Konflikten zwischen den radikal unterschiedlichen funktionalen Logiken. Zum anderen beginnt es bei der Beobachtung, dass das Konflikthafte öffentlicher Diskurse keineswegs bloß in unterschiedlichen normativen Standards oder einer nicht beendbaren Debatte über gute Gründe zu suchen ist, sondern unmittelbar mit der Struktur funktionaler Differenzierung selbst zusammenhängt.

Das Forschungsprojekt wird dies empirisch an drei Fallstudien über die Organspende, über die Beschneidung und über die Palliativmedizin exemplarisch demonstrieren. Diesen drei Fällen ist gemein, dass sie sowohl Debatten mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit erzeugen als auch, dass hier Sprecher unterschiedlicher gesellschaftlicher und kultureller Herkünfte aufeinander stoßen. In diesen Fällen lässt sich, so die Annahme, die Struktur von Übersetzungskonflikten zwischen unterschiedlichen funktionalen Logiken, Professionen und Wissensformen beobachten.

Der Topos der "Übersetzung" dient dazu, darauf aufmerksam zu machen, dass sich die unterschiedlichen Perspektiven nicht ohne Rest und nicht eins-zu-eins aufeinander abbilden lassen und damit letztlich in unlösbare Konflikte geraten, für die empirisch freilich dann doch Lösungen gefunden werden müssen. Neben der Analyse der Fallstudien verfolgt das Forschungsprojekt zugleich auch das Ziel, die Theoriefigur der funktionalen Differenzierung empirisch ernst zu nehmen. Einerseits soll damit der Kritik begegnet werden, Differenzierung bedeute Berührungslosigkeit und wohldefinierte Arbeitsteilung. Andererseits soll so empirisch gezeigt werden, wie eine Gesellschaft, der keine zentral steuernde Instanz bzw. Funktion zur Verfügung steht, mit ihrer Differenzierung umgeht. Aus den Ergebnissen sollen sich darüber hinaus auch begriffliche Präzisierungen der Theorie funktionaler Differenzierung als Forschungsprogramm ableiten lassen.