Übersetzungskonflikte
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Technologien der (Un-)Vereinbarkeit

Vortrag von Katharina Mayr und Niklas Barth auf dem 38. Kongress der DGS

29.09.2016

Ad-hoc-Gruppe „Vereinbarkeitstechnologien: Die Lösung des Problems?”

Es ist scheinbar banal, aber die Frage nach Vereinbarkeit stellt sich erst dann, wenn man offensichtlich mit Divergentem zu tun hat. Das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellte sich zum Beispiel noch nicht in einer Agrargesellschaft, in der eine bäuerliche Lebensform als Normalform fungierte und unterschiedliche Lebenszusammenhänge ganz selbstverständlich in der Sozialform des ganzen Hauses integrierte. Ganz im Gegensatz dazu wird man in der heutigen Gesellschaft, in der Erwerbsarbeit und Familie mit jeweils sehr unterschiedlichen Erwartungen verknüpft sind, vermutlich gerade bei bäuerlichen Haushalten die besondere Notwendigkeit von Grenzmanagement und dem Einsatz von Vereinbarkeitstechnologien identifizieren können.

Mit der Frage nach Vereinbarkeit stellt sich gewissermaßen aber eine Grundfrage der modernen Gesellschaft schlechthin, die an sich selbst erlebt, wie unterschiedliche Anforderungen, Erwartungen, Zugzwänge aufeinandertreffen und Konflikte produzieren. Diese Konflikte manifestieren sich in individuellen Problemen der Lebensführung, ebenso wie auf der insitutionellen Ebene, oder auch im Hinblick auf unterschiedliche funktionale Logiken der Gesellschaft. Hier werden praktische Formen der Grenzarbeit sichtbar, die darauf verweisen, dass stets Divergentes aufeinander bezogen wird und gerade deshalb „Übersetzungskonflikte” und damit aber auch: Technologien der Entlastung erzeugen.

Wir möchten nun argumentieren, dass es sich bei vielen beobachtbaren Formen des Grenzmanagements eigentlich um Technologien, Verfahren oder Formen handelt, die nicht Vereinbarkeit herstellen, sondern vielmehr Technologien des Aushaltens von Unvereinbarkeit darstellen. Die Unvereinbarkeit unterschiedlicher Lebensbereiche oder sozialer Kontexte bleibt erhalten, aber man findet Mittel und Wege diese Unverreinbarkeit zu entdramatisieren. So würden wir auch das „Social Freezing” als eine solche Technologie des Aushaltens von Unvereinbarkeit interpretieren. Die prinzipielle Unvereinbarkeit von Karriere- und Kinderwünschen wird damit zwar nicht gelöst, aber die Technologie verschafft Zeit, vertagt Entscheidungen, hält Möglichkeitshorizonte offen. An empirischen Beispielen aus unserem DFG-Projekt „Überrsetzungskonflikte” (2015-2018) möchten wir gerade die Medialität dieser (Un)Vereinbarkeitstechnologien betonen.